Freitag, 4. November 2016

3DS-Review: Another World - Zurück ins Jahr 1991

Titel: Another World
Genre: Platformer / Action-Adventure
Hersteller: Digital Lounge
eShop-Link
Preis: 7,99 Euro




Das - Anfang der neunziger Jahre von Eric Chahi fast im Alleingang realisierte - Another World bekam 2014 eine Portierung auf dem 3DS spendiert. Ziemlich spät, denn bereits 2011 erschien die 20th Anniversarsy Edition auf diversen Systemen. Rund 25 Jahre später ist dieses Kleinod gefühlt nur noch ein sperriger, unbarmherziger Motherfucker, der allen den Mittelfinger zeigt, die sowas wie eine führende Hand in einem Spiel wollen. Ein zeitloser Klassiker ist es dennoch. Unbedingt.

Und dabei hätte der Protagonist Lester Knight Chaykin doch so dringend ein Tutorial benötigt! Oder Hinweistafeln! Dicke, richtungsweisende Pfeile, die aufdringlich aufblinken und uns den Weg weisen! Und wenn schon nicht das, dann doch, Herrgott noch mal, wenigstens eine Automap! Obsoleszenz trieft bei Another World aus all seinen digitalen Poren - Ein Relikt aus einer Zeit, als Spiele noch hart wie Granit sein konnten. Und in den meisten Fällen auch waren. Unser Hauptdarsteller Lester ist letztlich nur ein Wissenschaftler: Nachdem im Intro ein Experiment schiefgelaufen ist, findet er sich in einer anderen Welt wieder. Vom ersten Augenblick an befindet er sich in Lebensgefahr, materialisiert in dieser fremd-bedrohlichen Welt direkt unter Wasser, wo er ertrinken wird, wenn wir ihn nicht augenblicklich dort herausbefördern. Was danach folgt sind Bedrohungen mindestens im Minutentakt, die wir in diesem Platformer mit minimalistischen Mitteln bewältigen müssen. Laufen und Springen, aber auch mal das Gewürm zertreten, dass da von der Decke herabfällt. Einem Löwen-ähnlichen Wesen entkommen, es austricksen, und in die Hände von Aliens fallen, die uns prompt gefangen nehmen. Another World erzählt eine so simple, aber doch so brilliant inszenierte Geschichte, die uns mitunter gefangen nimmt, weil sie in heutzutage völlig abstrakter, beißender Polygon-Grafik daherkommt. Damals der letzte Schrei in Sachen Technik, ist es optisch heute das, was andere Spiele gerne sein würden, indem sie künstlich getrimmt und gezupft werden: pures Retro-Gaming. Dazu kommt, dass es eine Geschichte erzählt, die sich aus dem beobachten der Umgebung, dem Wechselspiel zwischen brillanten (Sterbe-)Animationen und gelungenem Sound, ergibt. Ohne auf Dialogboxen zurückzugreifen, ertasten und erahnen wir die Umgebung, vergleichbar mit einem Dark Souls. Another World regt also - wie das From Software-Spiel - die Fantasie an, was es mit den Gebäuden, Bewohnern und Gegenständen auf sich hat, auf die wir treffen. Und es lässt trotzdem keine Fragen offen, warum uns ein Alien begleitet; es sich als wichtiger Kumpan während des Spiels erweist. Obwohl wir kein Wort von dem verstehen, was es brabbelt.

Geballert wird letzten Endes auch. Kleinere Rätsel müssen gelöst werden. Wir tricksen die übermächtigen Außerirdischen aus, die unser Leben bedrohen, indem wir Köpfchen und Reflexe einsetzen. Das Spiel degeneriert sich selbst stellenweise zu einem Trial & Error-Pakour, wenn wir schwierige Abschnitte immer und immer wieder versuchen müssen. Selbst gestandene Spieler werden da ein paar Stündchen brauchen, um das Ende zu Gesicht zu bekommen. Obwohl Another World im Kern echt kurz ist. Veteranen, die das Amiga-Spiel bereits auswendig kennen, könnten es binnen einer Stunde schaffen, wenn sie in Übung geblieben sind.

Leider ist die 3DS-Version absolut nichts besonderes geworden. Der untere Touchscreen bleibt während des gesamten Spiels schwarz - Another World spielt sich nur auf dem oberen der Dual-Screens ab. Einen frisch integrierten 3D-Effekt gibt es ebenso wenig, wie den im PC-Another World 20th Anniversary enthaltenen Bonus-Content in Form von Videos. Immerhin: Während des Spiels kann jederzeit zwischen der Originalgrafik und dem dezent überarbeiteten Setting gewechselt werden. Und die aufpolierten Höhlen und Hintergründe sehen auch auf dem 3DS sehr schick aus. Wahlweise können wir auch die sehr atmosphärische CD-Musik zuschalten, die auf dem Amiga-Original natürlich noch fehlte. Ebenso gibt es zusätzliche Abschnitte im Palast der Aliens zu erkunden, die die 2-Disketten-Version noch nicht innehatte. Dies könnte auch der größte Kaufanreiz für all jene sein, die es damals nur auf dem Commodore-Computer gedaddelt haben: je nach Spieltempo und je nachdem, wie man sich anstellt, wartet hier eine gute Stunde neue Spielabschnitte auf uns. Die fügen sich perfekt in die Geschichte ein und machen die Flucht vom Wissenschaftler Lester und seinem Alien-Kumpel noch ein klein wenig epischer.

FAZIT:

Ich bin schon ein wenig enttäuscht, wie lieblos dieser Klassiker auf den kultigen 3DS konvertiert wurde. Technisch ist hier alles einwandfrei, aber: Hier hätte es (neben einem schönen Tiefeneffekt beim 3D) auch durchaus noch die Einbeziehung von beiden Screens geben dürfen. Dieser Klassiker hätte somit noch viel mehr Tiefgründigkeit bei der Grafik und ein Plus bei der Aufmachung (ein Another World verteilt auf einem Doppel-Screen stelle ich mir spannend vor) erfahren können! Ohne, dass man gleich auf eine womöglich unpassende Touch-Steuerung zurückgreift. Aber: am Ende bleibt die Spielerfahrung an sich. Und Another World ist nach wie vor eine Klasse für sich und möchte ich jedem empfehlen, der gerne ein Spiel erleben will, dass im Kontext der Zeit Computerspiel-Geschichte geschrieben hat. Die Rotoskopie-Grafik hat auch heutzutage noch ihren ureigenen Charme. Das Geschehen auf dem Bildschirm fesselt immer noch. Abstrakt, sauschwer und sympathisch! Mit acht Euronen im eShop aber auch irgendwie zu teuer.

Wertung: 8 / 10

Trailer: